An die Hoffnung

Im Sommer 2023 habe ich das Schicksalslied von Johannes Brahms für eine Assistenz bei Yuval Weinberg erarbeitet und bin dadurch das erste Mal auf die Texte von Friedrich Hölderlin aufmerksam geworden. Da ich zu dieser Zeit außerdem nach einem Text für ein Stück für Chor und Streichorchester suchte, welches ich mit dem Main-Taunus-Kammerchor aufführen wollte, habe ich kurzerhand eine Art Stilkopie des Schicksalsliedes namens "Friedenslied" geschrieben.

Als ich Ende 2024 von Tristan Meister und Vocapella Limburg den Auftrag für ein Stück für Männerchor und vier Hörner bekam, schwebte mir sofort eine ähnliche Idee vor: eine Vertonung eines Textes von Hölderlin zum Thema Hoffnung.

Am Ende sind einige Ausschnitte verschiedener Gedichte in das Stück eingeflossen, die folgenden Ablauf bilden:

Im ersten Teil schwelgt das lyrische Ich in Erinnerungen an seine Jugend, die noch voller "Glauben und Sehen", noch voller Hoffnung und unentdeckter Möglichkeiten war.

Von heroischen Erzählungen euphorisiert und mit Aussicht auf Ruhm und Ehre reitet der Jüngling zusammen mit anderen in Schlacht und kämpft heldenhaft gegen die Feinde seines Vaterlandes, um nicht eines "gemeinen Tods" zu sterben.

Jäh endet der Krieg und angesichts von Tod und Zerstörung fällt das Weltbild des Jünglings in sich zusammen. Sein kindlich-naives Bild einer strahlenden Zukunft ist dahin ("tot ist nun die jugendliche Welt, diese Brust, die einst die Himmel füllte").

Doch aus der grauen Asche erhebt sich zaghaft eine neue Hoffnung: die Entschlossenheit, einen neuen Sinn im Leben zu finden ("eine Welt für meine Liebe find").

Aus "An die Natur":

Da ich noch um deinen Schleier spielte,

Noch an dir, wie eine Blüte hing,

Noch dein Herz in jedem Laute fühlte,

Der mein zärtlichbebend Herz umfing,

Da ich noch mit Glauben und mit Sehnen

Reich, wie du, vor deinem Bilde stand,

Eine Stelle noch für meine Tränen,

Eine Welt für meine Liebe fand.

"Der Tod fürs Vaterland":

Du kömmst, o Schlacht! schon wogen die Jünglinge

Hinab von ihren Hügeln, hinab ins Tal,

Wo keck herauf die Würger dringen,

Sicher der Kunst und des Arms, doch sichrer.

Kömmt über sie die Seele der Jünglinge,

Denn die Gerechten schlagen, wie Zauberer,

Und ihre Vaterlandsgesänge

Lähmen die Knie den Ehrelosen.

Fürs Vaterland, zu bluten des Herzens Blut

Fürs Vaterland – und bald ist's geschehn!

O nimmt mich, nimmt mich mit in die Reihen auf,

Damit ich einst nicht sterbe gemeinen Tods!

Aus "Der Kirchhof":

Wie still ists nicht an jener grauen Mauer,

Wo drüberher ein Baum mit Früchten hängt;

Mit schwarzen, tauigen, das Laub voll Trauer.


Aus "An die Natur":

Tot ist nun, die mich erzog und stillte,

Tot ist nun die jugendliche Welt,

Diese Brust, die einst ein Himmel füllte,

Tot und dürftig, wie ein Stoppelfeld.


Aus "An die Hoffnung":

O Hoffnung! holde! gütiggeschäftige!

Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst,

O du des Äthers Tochter! erscheine dann

Aus deines Vaters Gärten, und darfst du nicht

Ein Geist der Erde, kommen,

schröck′ , o schröcke mir das Herz.

Dort, in der Stille, will ich dich suchen,

wenn in der Mitternacht

Das unsichtbare Leben im Haine wallt.

Aus "An die Natur":

Eine Stelle noch für meine Tränen,

Eine Welt für meine Liebe find.

Besetzung: TTBB, Hornquartett

Dauer: 10 min

Vocapella Limburg, Leitung: Tristan Meister, 2025